Südtiroler Pestizidprozess gegen Karl Bär erneut vertagt: Letzter Kläger nicht vor Gericht erschienen

umweltBozen/München, 29. Oktober 2021: Der Prozess wegen übler Nachrede gegen den ehemaligen Agrarreferenten des Umweltinstituts München Karl Bär, seit September grüner Abgeordneter des Deutschen Bundestags, wurde erneut verschoben. Am heutigen vierten Verhandlungstag in Bozen/Südtirol erschien der letzte verbliebene Kläger, Obstbauer Tobias Gritsch, der gleichzeitig von der Staatsanwaltschaft als Zeuge geladen war, nicht vor Gericht. Der Richter verfügte daraufhin eine Zwangsvorführung des Zeugen für den nächsten Verhandlungstag am 28.1.2022 durch die Südtiroler Polizei. Dies kommentieren der Angeklagte Karl Bär und sein italienischer Strafverteidiger Nicola Canestrini wie folgt:

Karl Bär, Bundestagsabgeordneter der Grünen: “Das, was hier in Südtirol passiert, ist an Absurdität kaum zu übertreffen. Der Einzige, der diesen Prozess freiwillig weiterführt, muss von der Polizei vorgeführt werden, damit er überhaupt erscheint. Nach über einem Jahr und vier Gerichtsverhandlungen ist nichts auf den Tisch gekommen, was mit dem angeblichen Vergehen zu tun hat. Klar, denn wo es kein Verbrechen gibt, kann man auch keines aufklären. Der Prozess gegen mich ist reine Schikane. Die EU muss endlich eine Richtlinie erlassen und solchen Justizmissbrauch unterbinden, denn diese Verfahren gefährden die Meinungsfreiheit.”

Nicola Canestrini: “Hier haben wir den Beweis, dass Italien das perfekte Pflaster für gegenstandslose Klagen ist, die nur geführt werden, um unangenehme Kritiker mundtot zu machen. Die letzte verbliebene Anzeige von Tobias Gritsch ist unhaltbar. Ein einzelner Landwirt kann kein Opfer von übler Nachrede sein, nur weil jemand grundsätzlich den hohen Pestizideinsatz in der Landwirtschaft in Frage stellt. Gritschs Nichterscheinen zeigt, wie respektlos er mit der Strafanzeige umgeht. Wir fordern das Gericht auf, diesen Angriff auf die Meinungsfreiheit endlich zu beenden und Karl Bär frei zu sprechen.”

Gegen Karl Bär lagen ursprünglich 1376 Anzeigen wegen übler Nachrede vor. Bis zum vierten Prozesstag hielten jedoch nur die Südtiroler Brüder Stefan und Tobias Gritsch an ihrer Anzeige fest. Beide Landwirte hätten am 29. Oktober vor Gericht als Zeugen aussagen müssen. Stefan Gritsch zog seine Anzeige zurück, Tobias Gritsch hält sie aufrecht. Damit läuft der Strafprozess gegen Bär weiter. Für ihn ist dies existenzbedrohend: Im Fall einer Verurteilung könnten tausende Südtiroler Landwirt:innen in einem anschließenden Zivilverfahren Schadensersatzforderungen geltend machen, die Millionenhöhe erreichen könnten. Auch eine Anklage wegen Markenfälschung gegen Bär ist weiter anhängig. 

Hintergrund zum Prozess gegen Karl Bär

Anlass der Klage gegen Karl Bär war die provokative Kampagne „Pestizidtirol“ des Umweltinstituts München im Sommer 2017. In deren Rahmen platzierte die Umweltschutzorganisation ein Plakat in der bayerischen Hauptstadt, das eine Tourismus-Marketing-Kampagne für Südtirol sowie die Südtiroler Dachmarke satirisch verfremdete (“Pestizidtirol” statt Südtirol). Zusammen mit einer Website hatte die Kampagne zum Ziel, auf den hohen Pestizideinsatz in der Urlaubsregion aufmerksam zu machen. In den Apfelplantagen Südtirols werden nachweislich große Mengen an natur- und gesundheitsschädlichen Pestiziden ausgebracht. Bis zu zwanzig mal pro Saison werden dort die Apfelbäume gespritzt. Für den Text auf der Website und die Verfremdung des Südtirol-Logos wurde Karl Bär vom Südtiroler Landesrat für Landwirtschaft Arnold Schuler sowie von mehr als 1370 Südtiroler Landwirt:innen wegen angeblich übler Nachrede  angezeigt. Bär steht seit September 2020 vor dem Strafgericht in Bozen. 

Der Prozess löste im Herbst letzten Jahres eine Protestwelle in ganz Europa aus. Hunderttausende Menschen forderten Landesrat Schuler auf, seinen Angriff auf die Meinungsfreiheit sofort zu beenden. Selbst die Menschrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, stufte die Klage als sogenannten SLAPP (strategic lawsuit against public participation) ein – eine haltlose, strategische Klage, die zum Ziel hat, unliebsame Kritiker:innen mundtot zu machen. Aufgrund des großen internationalen Drucks zogen Landesrat Schuler sowie alle Landwirt:innen außer einem ihre Anzeigen gegen Bär zurück. 

Diesen Beitrag teilen, das Unterstützt uns, DANKE !

FacebookVZJappyDeliciousMister WongXingTwitterLinkedInPinterestDiggGoogle Plus

weitere Beiträge

Nachrichten und Doku

Förderung der Ganztagsbildung: Neues


TH KölnMit „Mein Bildungsraum" stellt die Bundesregierung eine digitale Infrastruktur, um bestehende Bildungsangebote miteinander zu vernetzen. In dem gemeinsamen Projekt KUCOBINA erstellen der Seitenstark e.V. und das Institut für Medienforschung und Me...


weiterlesen...

Dein Köln, Deine Zukunft: Das


stadt Koeln LogoStart-ups präsentieren ihre Innovationen auf der SmartCity Cologne Konferenz 2024

Wie sieht das klimaneutrale Veedel von morgen aus? Welche innovativen Ideen können dazu beitragen, die CO2-Emissionen im Quartier zu verringern? Welche konkreten Lös...


weiterlesen...

Ida Dehmel Kunstpreis der GEDOK 2024


iris hoppeVerleihung des Kunstpreises an die Künstlerin Iris Hoppe und Ausstellung im Nassauischen Kunstverein in Wiesbaden.

Der Ida Dehmel-Kunstpreis der GEDOK war 2020 zum 150. Geburtstag der Frauenrechtlerin und Kunstförderin Ida Dehmel (1870-1942) ins L...


weiterlesen...

VCD kritisiert den Testlauf mit


VCDKöln, den 12. April 2024 Mit Verwunderung wird am kommenden Sonntagnachmittag der Verkehrsclub Deutschland (VCD) Regionalverband Köln das Spektakel auf der Ost-West-Achse verfolgen, wo ein umstrittener politischer Beschluss umgesetzt werden soll, ...


weiterlesen...

ANGA COM 2024: Jetzt anmelden für nur


  • csm ANGA COM 2024 9f5665d3deKongressmesse für Breitband, Fernsehen & Online vom 14. bis 16. Mai 2024 in Köln
  • Jetzt online: Programm der Innovation Stage in Halle 7 mit freiem Zugang für alle Besucher
  • Panels von Accenture, Egon Zehnder und des VATM für alle Messebesucher zugä...

  • weiterlesen...

    Jetzt noch anmelden! Am Montag, 22.


    05 Firmenlauf Koln Anmeldeschluss Larasch GmbHDie Anmeldung für den Firmenlauf Köln am 8. Mai neigt sich dem Ende zu. Begeben Sie sich mit tausenden anderen Läuferinnen und Läufern auf die 5 km lange Laufstrecke und feiern Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen den längsten Feierabend des Jah...


    weiterlesen...
    @2022 lebeART / MC-proMedia
    toTop

    Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.