Zehn Jahre nach NSU-Selbstenttarnung: Kaum Verbesserungen bei der deutschen Polizei

amnesty logoDie längste rassistische Mordserie in der Geschichte der Bundesrepublik ist am 4. November 2011 nicht durch Ermittlungen der Polizei aufgedeckt worden. Allein diese Tatsache demonstriert bereits das umfangreiche Versagen mehrerer Polizei- und Sicherheitsbehörden. Nachdem der sogenannte „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) quasi unbehelligt insgesamt zehn Menschen töten, drei Sprengstoffanschläge und mehr als ein Dutzend Überfälle verüben konnte, enttarnte sich das Trio schließlich selbst. Zehn Jahre später zieht Amnesty International eine negative Bilanz: Die Polizei hat nicht genug aus dem NSU-Komplex gelernt, für die nächste Bundesregierung besteht weiter viel Handlungsbedarf.

BERLIN, 03.11.2021 – „Im Bundestagswahlkampf hat das Thema 'Sicherheit vor rassistischer, antisemitischer und rechtsextremistischer Gewalt' keine wirkliche Rolle gespielt, so als hätte es den ‚NSU‘ und die Anschläge von Halle und Hanau nicht gegeben“, sagt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. „Der Schutz vor rassistischer Gewalt ist eine Frage der inneren Sicherheit und der Menschenrechte. Wir erwarten, dass die neue Bundesregierung mit Entschlossenheit den Auftrag angeht, sich für eine Polizei einzusetzen, die alle Menschen in Deutschland vor menschenfeindlicher Gewalt schützt.“
 
Eine Kernforderung von Amnesty International an eine Polizei, die ihren rechtsstaatlichen Aufgaben und Pflichten wirkungsvoll nachkommen kann, ist die nach unabhängigen Untersuchungsmechanismen mit ausreichenden Ermittlungskompetenzen. „In den Niederlanden oder Großbritannien kann man sehen, dass unabhängige Untersuchungsstellen ein wirkungsvolles Instrument zum Beispiel gegen Körperverletzung im Amt sind“, sagt Beeko. „Die Unabhängigen Polizeibeauftragten in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein verfügen nicht über genug Befugnisse, um unverhältnismäßige Polizeigewalt strafrechtlich verfolgen zu können.“ Mit seiner bisherigen Weigerung, solche Stellen einzurichten, verstößt Deutschland seit Jahren gegen internationale Verpflichtungen, wie der Europäische Menschenrechtsgerichtshof, der Europarat und der UN-Antifolterausschuss wiederholt kritisieren.

Erneutes Versagen nicht auszuschließen

Auf etwa 1.400 Seiten hat der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages im August 2013 Empfehlungen vorgestellt, die den deutschen Polizeibehörden dabei helfen sollten, ein solches kapitales Versagen wie bei der Aufklärung der NSU-Morde in Zukunft zu vermeiden. „Diese Empfehlungen sind damals schon nicht weit genug gegangen, so ist zum Beispiel eine unabhängige Untersuchung zu institutionellem Rassismus in Polizeibehörden nicht gefordert worden“, sagt Philipp Krüger, Experte für Polizei und Menschenrechte bei Amnesty International in Deutschland. „Zehn Jahre später muss man leider feststellen, dass selbst die schwachen Empfehlungen des Untersuchungsausschusses nur unzureichend umgesetzt worden sind. So wie die Polizei heute aufgestellt ist, erscheint es nicht wirklich wahrscheinlich, dass ein erneutes Versagen wie beim NSU-Komplex tatsächlich verhindert werden kann“, sagt Krüger.
 
Anti-Rassismus-Trainings für Polizist_innen sind weiterhin eine Ausnahme, obwohl sie entscheidend dafür sind, dass Opfer rassistischer Gewalt ernst genommen werden, und daher verpflichtend sein sollten. Die interne Fehlerkultur bei der Polizei zeigt zwar kleine Fortschritte, ist aber noch nicht ausreichend entwickelt, wie die Aufdeckung diverser Chat-Gruppen zeigt, in denen sich Polizist_innen rechtsextrem und rassistisch geäußert haben.

„Es kann durchaus Hoffnung machen, dass einige dieser rassistischen Polizei-Chatgruppen durch Anzeigen einzelner Polizist_innen aufgeflogen sind. Es ist im Übrigen aber besorgniserregend, dass nur wenige den Mut aufbrachten, dieses Fehlverhalten ihrer Kolleg_innen zu melden, und viele andere die menschenverachtenden Inhalte unwidersprochen hingenommen haben“, sagt Amnesty-Experte Krüger. „Hier zeigt sich, dass ein effektiver Schutz polizeilicher Whistleblower_innen vor Kolleg_innen, aber auch vor Vorgesetzten, zentral ist. Keinesfalls darf der Eindruck entstehen, dass formal oder auch informell abgestraft wird, wer zurecht auf Missstände hingewiesen hat.“
 
Quelle: www.amnesty.de

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