Teilerfolg im Südtiroler Pestizidprozess: Alle Anzeigen gegen Karl Bär wegen übler Nachrede zurückgezogen

umweltDas Umweltinstitut sieht sich jedoch weiterhin mit dem Vorwurf der Markenfälschung konfrontiert. Das abschließende Urteil im Prozess wird für den 6. Mai erwartet.

Bozen/München, 28. Januar 2022. Im Südtiroler Pestizidprozess ist der Vorwurf der üblen Nachrede gegen Karl Bär vom Tisch: Am heutigen fünften Verhandlungstag in Bozen zog nun auch der letzte verbliebene Kläger seine Anzeige gegen den aktuell für sein Bundestagsmandat freigestellten Mitarbeiter des Umweltinstituts München zurück. Offen ist nach wie vor der Vorwurf einer angeblichen Markenfälschung. Das abschließende Urteil in dem seit September 2020 andauernden Prozess gegen Bär wird nun am nächsten Verhandlungstag, dem 6. Mai 2022, erwartet. Bär war 2017 wegen seiner Kritik am hohen Pestizideinsatz in den Apfelplantagen der beliebten Urlaubsregion Südtirol vom dortigen Landesrat Arnold Schuler sowie von mehr als 1370 Landwirt:innen wegen übler Nachrede und Markenfälschung angezeigt worden.

Am heutigen Prozesstag willigte Dr. Tobias Gritsch, der letzte Kläger, in eine Rücknahme seines Strafantrages ein und stimmte damit zu, die Auseinandersetzung um den Pestizideinsatz in Südtirol nicht mehr vor Gericht zu führen. Damit ist klar, dass das Verfahren wegen übler Nachrede beendet wird. Karl Bär: “Nach eineinhalb Prozessjahren ist es endlich so weit: Die Südtiroler Obstwirtschaft sucht den Dialog, statt an unhaltbaren Klagen festzuhalten. Wir sind sehr erfreut, dass Dr. Gritsch seinen Strafantrag zurückgezogen hat, um so eine konstruktive Diskussion außerhalb des Gerichtssaales zu ermöglichen.”

Anwalt Nicola Canestrini, der Karl Bär gemeinsam mit Francesca Cancellaro vor Gericht vertritt, zeigt sich ebenfalls zufrieden: “Die Klage gegen Karl Bär hatte zum Ziel, die Kritik am hohen Pestizideinsatz in Südtirol und die Aufklärung über dessen Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die menschliche Gesundheit einzuschränken. Die sich nun abzeichnende Einstellung der Verfahren wäre ein starkes Zeichen für die Meinungs- und Informationsfreiheit in ganz Europa.”

Im Oktober 2020 hatte der Europarat die Klagen gegen Pestizidkritiker in Südtirol als strategische Klage und damit als Angriff auf die Meinungsfreiheit eingestuft. Besondere Brisanz erhält diese Einstufung durch die heutige Aussage von Tobias Gritsch, er habe sich durch Landesrat Arnold Schuler genötigt gesehen, den Strafantrag gegen Karl Bär und andere Pestizidkritiker zu unterzeichnen. Im weiteren Verlauf des Prozesses hätte Arnold Schuler ihn dann mehrfach bedrängt, den Strafantrag wieder zurückzuziehen, so Gritsch. 

“Der Vorwurf der Nötigung zu einer Verleumdungsklagen wiegt sehr schwer: Wenn die Südtiroler Regierung ihre Bürgerinnen und Bürger wirklich als juristische Manövriermasse genutzt haben sollte, um unliebsame Kritik an ihrer Agrarpolitik zu unterbinden, würde dies ein hochproblematisches Verhältnis zur Rechtsstaatlichkeit offenbaren. Jetzt muss restlos aufgeklärt werden, ob tatsächlich Menschen genötigt worden sind, sich dem Prozess gegen meinen Mandanten anzuschließen. Sollte sich der Verdacht bestätigen, handelt es sich um einen handfesten Skandal”, so Rechtsanwalt Nicola Canestrini weiter. 

Das Umweltinstitut wird indes die Diskussion um Pestizide außerhalb des Gerichts fortführen. Die Umweltschutzorganisation wertet derzeit die Betriebshefte fast aller Obstbäuerinnen und -bauern aus, die ursprünglich Anzeige gegen Karl Bär erstattet hatten. Diese wurden im Prozess dem Umweltinstitut auf Antrag der Staatsanwaltschaft als Beweismittel zur Verfügung gestellt. Die Hefte enthalten Angaben darüber, welche und wie viel Pestizide diese im Jahr 2017 verwendet haben. „Wir planen, die Ergebnisse der Auswertung dieser Daten über Pestizideinsätze auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit Vertreter:innen der Obstwirtschaft in Südtirol zu präsentieren und gemeinsam zu diskutieren. Wir würden uns freuen, wenn auch Dr. Gritsch an dieser Veranstaltung teilnähme“, so Bär. 

Der ebenfalls wegen angeblicher übler Nachrede angeklagte österreichische Buchautor Alexander Schiebel war im Mai vergangenen Jahres in Bozen freigesprochen worden. Der Richter begründete sein Urteil damit, dass der Tatbestand der üblen Nachrede nicht vorliege. Die Prozesse gegen Bär und Schiebel hatten eine europaweite Welle der Solidarität mit den Beklagten ausgelöst, in deren Verlauf sich über 100 Organisationen mit den Beklagten solidarisch erklärt und über 250.000 Unterzeichner:innen mit ihrer Unterschrift die Einstellung der Verfahren gefordert hatten.

Hintergrund zum Prozess gegen Karl Bär:

Anlass der Klage gegen Karl Bär vom Umweltinstitut München war die provokative Aktion „Pestizidtirol“ im Sommer 2017. In deren Rahmen platzierte die Münchner Umweltschutzorganisation ein Plakat in der bayerischen Hauptstadt, das eine Tourismus-Marketing-Kampagne für Südtirol sowie die Südtiroler Dachmarke satirisch verfremdete (“Pestizidtirol” statt “Südtirol”). Zusammen mit einer Website hatte die Aktion zum Ziel, auf den hohen Pestizideinsatz in der beliebten Urlaubsregion aufmerksam zu machen. In den Apfelplantagen Südtirols werden nachweislich große Mengen an natur- und gesundheitsschädlichen Pestiziden ausgebracht. 

Aufgrund des großen öffentlichen Drucks kündigte Landesrat Schuler schon vor dem ersten Prozesstag gegen Bär im September 2020 an, alle Anzeigen zurückziehen und dafür die Vollmachten aller klagenden Bauern und Bäuerinnen einsammeln zu wollen. Erst ein Jahr und vier Monate später ist dieses Versprechen nun eingelöst.

Quelle: www.umweltinstitut.org

Diesen Beitrag teilen, das Unterstützt uns, DANKE !

FacebookVZJappyDeliciousMister WongXingTwitterLinkedInPinterestDiggGoogle Plus

weitere Beiträge

Nachrichten und Doku in Köln

Lew Kopelew Preis für Frieden und


lew kopelew preisverlehung 2023 24 foto horst galuschkaFeierliche Preisverleihung an Vertreterinnen und Vertreter der Ukraine am 9. Juni 2024 in der Kreissparkasse Köln

Köln, den 9. Juni 2024 Das Lew Kopelew Forum verleiht in diesem Jahr den nach ihm benannten „Preis für Frieden und Menschenrechte 202...


weiterlesen...

Interaktive, öffentliche


TH KölnDie Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der TH Köln thematisiert in einer interaktiven öffentlichen Lehrveranstaltung die drohenden Kürzungen in den öffentlichen Haushalten und die Folgen für die Soziale Arbeit. 

Die Veranstaltung findet ...


weiterlesen...

Der perfekte Snack zur EM: Die neue


Kölsche Wiess Wurst von Eckart mit Gaffel Wiess Foto Silke Steinraths Photography honorarfrei IVKöln, 11. Juni 2024 – Neu bei der Fleischerei Eckart: die Kölsche Wiess-Wurst. Sie liegt schon jetzt beim Frühschoppen im Joode Lade neben dem Wiess-Krug und wird auf der Biergartenkarte des neuen Wiessgarten im Maybach angeboten. Auch zur EM ist ...


weiterlesen...

Erstmals Jazz 'n' Brunch im Wiessgarten


240618 Jazz im Wiessgarten MaybachKöln, 18. Juni 2024 – In Zusammenarbeit mit der Kölner Hochschule für Musik und Tanz gibt es erstmals einen Jazzbrunch im Wiessgarten des Maybachs. Am 23. Juni spielt das Merle Böwering Trio.

Schon mit 17 Jahren nahm die talentierte Musikerin am K...


weiterlesen...

LSBTI-Förderprogramm 2024


stadt Koeln LogoStadt fördert Projekte zum Abbau von queerfeindlicher Gewalt und Diskriminierung

Ab sofort können bis zum 8. September 2024 Anträge für die Förderung von Projekten im LSBTI- Förderprogramm der Stadt Köln eingereicht werden, die zum Abbau von Diskr...


weiterlesen...

ZZ Top im Juli auf „The Elevation“ -


ZZTop PhotoEdit FINAL2 c Blain Clausen(thk) Erstmals seit fünf Jahren gastieren ZZ Top wieder in Deutschland! Die Auftritte werden hierzulande auch eine Live-Premiere für Elwood Francis sein. Er, der Jahrzehnte lang Gitarrentechniker der Band war, hat den im Juli 2021 verstorbenen Dus...


weiterlesen...
@2022 lebeART / MC-proMedia
toTop

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.