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JUNGER ANKAUF 2024 - Melike Kara, tirkel

Melike KaraDie Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig präsentiert die diesjährige Neuerwerbung der Initiative Junger Ankauf. Für 2024 wurde die Arbeit tirkel (2024) von Melike Kara angekauft. Die Erwerbung zur Schenkung an das Museum Ludwig ist die 20. Arbeit und erste malerische Position, die im Rahmen dieser Initiative die Sammlung des Museums bereichern wird. Die Installation ist vom 7.-10. November 2024 auf der Art Cologne in Halle 11.1, am Stand D-015 zu sehen.

Wie kann eine unterdrückte Bevölkerungsgruppe ins kulturelle Gedächtnis gerufen werden? Melike Kara verarbeitet in ihrer künstlerischen Praxis Traditionen und Geschichten, die vom Verschwinden bedroht sind und übersetzt sie in abstrakt-ornamenthafte Malerei, Fotocollagen und Rauminstallationen. Ausgangs- und Annäherungspunkt bilden stets Karas kurdisch-alevitische Wurzeln. Als ihre Großeltern in den 1970er Jahren mit der Gastarbeiterbewegung nach Deutschland kamen, konnten sie erstmals ihre unterdrückte kurdische Identität ohne Angst ausleben, ihre Sprache sprechen, Traditionen und Spiritualität pflegen. Zwei Generationen später greift Kara auf persönliche und kollektive Erinnerungen zurück, um mit ihrer Kunst Unterdrücktes sichtbar zu machen, denn eine schriftliche Überlieferung kurdischer Kultur ist kaum vorhanden. Das angekaufte Werk trägt den Titel „tirkel“, benannt nach dem Herkunftsort von Karas Großmutter in der Türkei und stellt somit direkten Bezug zu biografischer und geografischer Geschichte her.

Karas abstrakt-gestische Malerei kann als kulturelle Befragung einer bestehenden Leerstelle und als persönliche Annäherung an selbige verstanden werden. Aber auch andere Medien sowie Kulturpraktiken und damit verknüpfte Geschichten halten Einzug in Karas Malerei: Der dynamische, sich fein bewegende Pinselstrich erinnert an einen Garnfaden, ornamentale Strukturen wiederum an kurdische Webkunst. Die kurdische Webkultur ist untrennbar mit Vertreibung und Migration verbunden: Zwangsumsiedelungen entwurzelten Webmotive einzelner Communities aus ihren regionalen Ursprüngen und verwoben sie in neue Kontexte. Die Tapisserien, die Karas Malerei installativ einbetten, besitzen ornamentale Elemente, sodass die (Re-)Kombination sowohl Malerei als auch Webtechnik einer erneuten ästhetischen Transformation unterziehen. Hinzu kommt das installative Arbeiten mit schwarz-weiß Fotografien. Das Material hierzu stammt aus Karas Bildarchiv eigener und anonymer historischer Fotografien. Mit weißer Farbe überzogen, collagiert und nahezu unkenntlich gemacht changieren sie zwischen dem Versuch des Erhaltens bei fortwährendem Verschwinden von Erinnerung und kollektivem Gedächtnis. Es entsteht eine ästhetische Symbiose, die Ausdruck kultureller Mehrfachzugehörigkeit, der Überlagerung von Geschichten, Traditionen und Identitäten ist. Klebe- und Nahtstellen wirken als nuanciertes Stilmittel, um dem Fragmentarischen und Fragilen in der kurdischen Identität sowie den Diskontinuitäten in der Überlieferung Raum zu geben.

Melike Kara fragt mit ihrer Kunst nach ihrem Kurdisch-Sein in der deutschen Sozialisierung und antwortet mit einer Ästhetik, die die Schönheit alltäglicher Kultur einzufangen vermag.

Melike Kara wurde 1985 in Bensberg geboren und lebt und arbeitet heute in Köln. 2014 schloss sie ihr Studium an der Kunstakademie Düsseldorf ab. Sowohl Malerei und Fotografie als auch Collage und Skulptur prägen Karas künstlerische Arbeit, die bereits in einer Vielzahl internationaler Gruppen- und Einzelausstellungen gezeigt wurde. Bis Oktober 2024 war ihre ortsspezifische Installation Vor Ort im Haus Ludwig der Peter und Irene Ludwig Stiftung Aachen zu sehen. Bis Mai 2024 zeigte die Schirn Kunsthalle Frankfurt die Einzelausstellung shallow lakes. Dem gingen weitere nationale und internationale Ausstellungen voraus, u.a. in der Kunst Halle Sankt Gallen (2023), der Kunsthalle Zürich (2023), dem Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen Düsseldorf (2023), dem Museum de Fundatie, Zwolle (2023), der Sammlung Philara, Düsseldorf (2023), dem Frac des Pays de la Loire, Nantes (2022), der Neuen Galerie Gladbeck (2022), dem Ludwig Forum Aachen (2021), Kölnischen Kunstverein (2021), Wiels Contemporary Art Centre, Brüssel (2020), Kunstverein Göttingen (2020), Yuz Museum Shanghai (2018) und dem Dortmunder Kunstverein (2018). Sie nahm zudem an der 58. Carnegie International in Pittsburgh (2022) teil.

Der Junge Ankauf ist eine 2005 ins Leben gerufene Initiative der Gesellschaft für Moderne Kunst. Im Austausch mit dem Museumsdirektor Dr. Yilmaz Dziewior und Dr. Barbara Engelbach, Kuratorin für Zeitgenössische Kunst, Fotografie und Medienkunst, diskutieren die Mitglieder der Initiative Positionen von unter 40-jährigen Künstlerinnen und Künstlern und entscheiden anschließend in einem demokratischen Prozess über einen Neuerwerb für die Sammlung des Museum Ludwig.

Die Präsentation des Jungen Ankaufs auf der Art Cologne wird auch in diesem Jahr durch die großzügige Unterstützung der Zilkens Fine Art Insurance Broker GmbH ermöglicht, für die wir uns sehr herzlich bedanken!

Seit 2005 wurden folgende Arbeiten für das Museum Ludwig erworben:

2023    Ser Serpas, memory station, she cast index bedding myself for you, gate closed bye bye yes its in people, 2023

2022    Carolyn Lazard, Extended Stay, 2019

2021    Matthew Angelo, Harrison Bated Breath, 2021

2020    Diamond Stingily, Elephant Memory #27, 2019

2019    Trisha Baga, Mollusca & The Pelvic Floor, 2018

2018    Emeka Ogboh, Oshodi Stock Exchange, 2014/2016

2017    Loretta Fahrenholz, Implosion, 2011

2016    Juliette Blightman, Time and Death (some say sex) / Collective Nouns, 2015

2015    Katja Novitskova, Approximation (shoebill), 2014 / Growth Potential (SALTS), 2014

2014    Yto Barrada, A Modest Proposal, 2010-2013/ Cinéma modèle – Alcazar, 2013

2013    Ed Atkins, A Tumour (in English), 2011

2012    Klara Lidén, (Toujours Être Ailleurs), 2011

2011    Nairy Baghramian, Spanner, 2008

2010    Roman Ondak, The Stray Man, 2006

2009    Susan Philipsz, Lowlands, 2008

2008    Edgar Arceneaux, Arrangement without Tormentors, 2003-2004

2007    Tom Burr, Video Booths, 1995

2006    Bojan Šarčević, Working Surface I, 2004 / Miniatures, 2002

2005    Peter Piller, durchkämmten, 2004 / Liegeplätze, 2004 / deko+munition, 2003 /

Pfade, aus: Von Erde schöner, 2003-2004

Quelle: www.museum-ludwig.de

Bildcredit: Melike Kara © Albrecht Fuchs

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